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KATASTROPHEN/073: Informationssystem für den Hochwasserfall, Region Bitterfeld (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter März 2009

SCHNELLER UND SICHERER ENTSCHEIDEN

Neues Informationssystem verbessert Katastrophenschutz in der Region Bitterfeld im Hochwasserfall


"Rettungsleitstelle, Guten Tag". Wer in der Region Bitterfeld akut Hilfe braucht, landet an einem der Telefone, die rund um die Uhr besetzt sind. Ruhe dagegen im Raum nebenan. Das Lagezentrum kommt nur im Katastrophenfall zum Einsatz. So auch beim Hochwasser 2002, wo mehrere tausend Einwohner Bitterfelds evakuiert werden mussten. Die Schäden wurden damals auf etwa 70 Millionen Euro geschätzt. Was passiert aber, wenn die Mulde wieder einmal extrem über die Ufer tritt? Bei welchem Pegelstand müssen welche Straßen gesperrt bzw. eine Evakuierung angeordnet werden? Welche Gefahren drohen durch austretende Schadstoffe? Fragen, auf die im Ernstfall schnelle Antworten gegeben werden müssen. Nur fehlten den Verantwortlichen bisher im Voraus berechnete Szenarien für ihre Entscheidungen.

Ein internetgestütztes Entscheidungshilfesystem ermöglicht jetzt bessere Vorhersagen für die Bitterfelder Region, wo das Wasser bei Extremhochwasserereignissen wie hoch steht. Zusätzlich gibt das System Auskunft über hochwasserbedingte Schadstoffbelastungen. Entwickelt wurde das System in den letzten vier Jahren von Wissenschaftlern des UFZ in Magdeburg, der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, dem Institut für Umweltsystemforschung der Universität Osnabrück und dem LeibnizInstitut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) in Dresden mit Unterstützung des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt des Landes Sachsen-Anhalt. Dazu nutzten sie ein im Rahmen des Projektes adaptiertes digitales Höhenmodell der Region und berechneten für Hochwasserszenarien Strömungsgeschwindigkeiten, Wasserstände und Schadstoffkonzentrationen. So lässt sich jetzt auf dem Bildschirm durchspielen, wie sich Wasser- und Sedimentbewegungen bei unterschiedlich starken Hochwasser-Ereignissen verändern. Mit einer halben Million Euro hat das Bundesforschungsministerium das Projekt gefördert. Eine kleine Summe - verglichen mit den Schäden, die dadurch vermieden werden können.

Bei Überflutungen entstehen nicht nur Wasserschäden, sondern auch Schäden durch Schadstoffe, die mobilisiert, transportiert und in den überschwemmten Gebieten abgelagert werden. Wie sie sich verteilen, hängt aber nicht nur vom Ausmaß der Überflutungen und von den Strömungsverhältnissen ab, sondern auch von den chemischen und physikalischen Eigenschaften der jeweiligen Substanzen. "Deshalb wurde ein Modellbaustein eingeführt, der die Freisetzung und Ausbreitung einzelner Schadstoffe berücksichtigt. Für Hochwasserszenarien lässt sich so abschätzen, auf welchen Flächen welche Mengen Arsen, Blei, Quecksilber, Zink oder Cadmium in der Region abgelagert werden", erläutert Dr. Wolf von Tümpling, Koordinator des Projektes, das Besondere an dem neuen System. "Auch die Wege von Heizöl aus leckgeschlagenen Tanks kann man auf dem Bildschirm verfolgen." Aus solchen Berechnungen lassen sich Risikokarten für verschiedene Bereiche des Untersuchungsgebietes entwickeln, die der Stadt und dem Landkreis Bitterfeld den Umgang mit stoffbezogenen Hochwasserrisiken erleichtern. Damit die Mitarbeiter der Verwaltung nicht stapelweise Karten wälzen müssen, wurden alle Ergebnisse in ein internetbasiertes Informations- und Entscheidungshilfesystem eingespeist. Künftige bauliche Veränderungen, die einen Einfluss auf den Ablauf von Hochwasserereignissen haben, sollten durch regelmäßige Aktualisierung berücksichtigt werden. Ein Informationssystem kann obendrein nur so gut wie sein wie die Menschen, die es nutzen. Deshalb wird noch 2009 in Bitterfeld eine Katastrophenschutzübung des Landes stattfinden - mit einer simulierten Flut. "Das nächste echte Hochwasser kommt bestimmt", so Landrat Uwe Schulze. Im Ernstfall müssen er und seinen Kollegen schnell Entscheidungen fällen. Diese Verantwortung kann ihnen der Computer nicht abnehmen. Aber das neue System kann durch die Visualisierung schwierige Entscheidungsfindungen erleichtern. Tilo Arnold


UFZ-Ansprechpartner:

Dr. Wolf von Tümpling
Leiter der Abteilung Gewässeranalytik und Chemometrie
Telefon: 0391/8109-300
E-mail: wolf.vontuempling@ufz.de

Dr. Michael Rode
Department Aquatische Ökosystemanalyse
Telefon: 0391/8109-650
E-mail: michael.rode@ufz.de

mehr Informationen:
www.rimax-hochwasser.de

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Augusthochwasser 2002 bei Bitterfeld


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Quelle:
UFZ-Newsletter März 2009, S. 4
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2009