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MASSNAHMEN/140: Die ehrgeizigen Ziele der Wasserrahmenrichtlinie (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Juni 2010

Die ehrgeizigen Ziele der Wasserrahmenrichtlinie: Es ist noch viel zu tun!

Von Gundula Lasch


Mit dem Inkrafttreten der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) gibt es erstmals übergreifende Ziele für alle Gewässer Europas: Bis 2015 sollen alle Oberflächen- und Küstengewässer in den EU-Mitgliedsstaaten einen guten ökologischen und chemischen Zustand aufweisen. Für das Grundwasser gilt es, neben einem guten chemischen auch einen guten mengenmäßigen Zustand zu erreichen. Deutschland wird diese Umweltziele an vielen Gewässern im ersten Schritt nicht erreichen können, sondern vielfach Fristverlängerungen in Anspruch nehmen.


Neu an der WRRL ist auch, dass sich die Gewässerbewirtschaftung nicht mehr in erster Linie an Ländergrenzen, sondern an Flussgebietseinheiten orientieren muss. Für jede Einheit müssen die Mitgliedsstaaten einen Bewirtschaftungsplan und ein Maßnahmenprogramm zur Verwirklichung der Umweltziele verabschieden. In Deutschland sind das die zehn Flussgebietseinheiten Donau, Rhein, Maas, Ems, Weser, Elbe, Eider, Oder, Schlei/Trave und Warnow/Peene. Seit Ende 2009 sind die Pläne und Programme für die Behörden verbindlich und müssen nach Ablauf des ersten Bewirtschaftungszyklus im Jahr 2015 und danach weiterhin alle sechs Jahre überprüft und aktualisiert werden. Weil die WRRL - anders als frühere deutsche und europäische Rechtsvorschriften - die Qualität der Gewässer nicht nur an stofflichen Belastungen, sondern vor allem an ihrem ökologischen Zustand fest macht, hilft sie, bisher verborgene Defizite aufzudecken. Bei der Umsetzung und Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung des Gewässerzustands fordert die WRRL die Berücksichtigung des so genannten Verursacherprinzips: Wer ein Gewässer nutzt und dabei belastet, soll auch für die notwendigen Kosten der Verbesserungsmaßnahmen aufkommen. Doch lassen sich viele Belastungen nicht den Verursachern anlasten, beispielsweise weil sie aus einer Vielzahl unterschiedlicher Nutzungen herrühren.


Fristen an vielen Gewässern verlängert

Große Anstrengungen waren in den vergangenen Jahren in Deutschland unternommen worden, um den Gewässerzustand nach den Anforderungen der WRRL zu ermitteln. Unzählige Wasserproben wurden analysiert, die Gewässer über viele tausend Kilometer kartiert und bewertet, Fische gefangen, gezählt und bestimmt, Wirbellose von Steinen, Sand, Holz und Pflanzen abgesammelt und ausgewertet. Es wurden Überwachungsprogramme für Oberflächengewässer, Grundwasser und die Schutzgebiete erarbeitet, um mit vielfältigen Messungen und Untersuchungen die Ergebnisse zu validieren und Aufschluss über den tatsächlichen Gewässerzustand zu erhalten.

Eine Studie, die im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) federführend vom UFZ und in Zusammenarbeit mit ecologic erarbeitet wurde, zeigt nun die aktuellen Ergebnisse des Gewässermonitorings in Deutschland und bestätigt weitgehend die Prognose der bereits 2004 durchgeführten Bestandsaufnahme und Risikoanalyse: Die anspruchsvollen Umweltziele der WRRL werden die meisten deutschen Gewässer bis zum Ende des ersten Bewirtschaftungszyklus im Jahr 2015 nicht fristgerecht erreichen können.

Zwar hat Deutschland im Gewässerschutz in den zurückliegenden Jahrzehnten schon viel erreicht. Insbesondere durch den Aus- und Neubau von Kläranlagen hat sich die Wasserqualität der Oberflächengewässer deutlich verbessert. Dennoch sind viele Wasserkörper in keinem "guten Zustand". Nur etwa zehn Prozent der Oberflächengewässer in Deutschland haben derzeit einen "sehr guten" oder "guten" ökologischen Zustand, der Rest ist "mäßig" bis "schlecht". Lediglich ein kleiner Teil der Fließgewässer wurde bisher noch nicht bewertet. Beim chemischen Zustand sieht die Situation besser aus: Knapp 90 Prozent aller Oberflächengewässer haben bereits einen guten chemischen Zustand erreicht. Für die Überschreitung der Qualitätsnormen sind meist polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Tributylzinn-Verbindungen sowie Cadmium und Quecksilber verantwortlich. Bei einzelnen Stoffen gibt es noch Unsicherheiten, z.B. bezüglich ihrer Wirkung auf die Gewässerökologie. Als eine Hauptursache für die Verfehlung der Ziele der WRRL wurde in Deutschland die starke Verbauung der Oberflächengewässer (z.B. durch Wehre, Dämme, Ufer- und Sohlbefestigungen) identifiziert. Eine weitere Ursache ist die Belastung mit Nährstoffen (Stickstoff und Phosphor) und Pflanzenschutzmitteln vorrangig aus der Landwirtschaft. Sie ist in erheblichem Maße auch für die erhöhten Belastungen des Grundwassers durch Nitrat verantwortlich.

Da die erforderlichen Vermeidungs- und Schutzmaßnahmen nicht alle gleichzeitig und flächendeckend umgesetzt werden können, müssen viele Bundesländer an mehr als 80 Prozent der gesamten Länge ihrer Fließgewässer Fristverlängerungen in Anspruch nehmen. Darüber hinaus können in den meisten Ländern auch über 50 Prozent der Seen die Ziele nicht fristgerecht erreichen. Etwas besser ist es um den Zustand des Grundwassers bestellt. Bereits heute haben 60 Prozent der Grundwasserkörper in Deutschland einen "guten" Zustand. Allerdings wird sich die Zahl bis zum Jahr 2015 voraussichtlich nicht wesentlich erhöhen.


Maßnahmenumsetzung fordern, fördern und kommunizieren

Neben den aktuellen Ergebnissen der Gewässerüberwachung gibt die Studie auch einen Überblick über die verschiedenen Belastungsbereiche, in denen im ersten Bewirtschaftungszyklus in Deutschland Maßnahmen vorgesehen sind. Diese umfassen neben den großen Problembereichen Hydromorphologie und Landwirtschaft z.auch Maßnahmen im Bereich der Misch- und Niederschlagswasserbehandlung in Kanalisationen, Maßnahmen zur weiteren Reduzierung von Belastungen aus Kläranlagen, Einträgen aus bebauten Gebieten, Altlastenstandorten oder dem Bergbau. Insgesamt sollen in Deutschland von 2009 bis 2015 etwa zehn Milliarden Euro für die Umsetzung der Maßnahmen ausgegeben werden. "Insbesondere die Verbesserung der Gewässermorphologie wird von den Bundesländern in Angriff genommen", so Dr. Bernd Klauer vom Department Ökonomie am UFZ. "Maßnahmen zur Herstellung der Durchgängigkeit und ökologischen Aufwertung der Gewässerstrukturen reichen aber allein nicht aus. Besonders im Bereich der Landwirtschaft sind mittelfristig einschneidende Maßnahmen nötig, um die in der Richtlinie festgesetzten Ziele zu erreichen." Neben den in den Förderprogrammen hauptsächlich vorgesehenen freiwilligen Maßnahmen und Beratungskonzepten sollten seiner Meinung nach ordnungsrechtliche Forderungen nicht ausgeschlossen werden.

Frauke Bathe vom UFZ hat in ihrer Diplomarbeit an der Universität Bonn die Entwürfe der deutschen Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme nebeneinander gestellt und einer genaueren Untersuchung unterzogen. Sie kritisiert in ihrer Arbeit u.a., dass die in Deutschland vorgesehenen Maßnahmen zur Verwirklichung der Umweltziele in den Plänen und Programmen unzureichend abgebildet werden. Von wesentlicher Bedeutung bei der Maßnahmenplanung und -umsetzung sei es aber, diese adäquat gegenüber der Öffentlichkeit zu kommunizieren, so Bathe in ihrer Diplomarbeit. Das solle auch als Möglichkeit wahrgenommen werden, die erbrachten und geplanten Arbeiten in der Öffentlichkeit besser als bisher sichtbar zu machen. "Das Umweltinteresse in Deutschland ist allgemein hoch - eine aktive Information der Öffentlichkeit kann helfen, den Geist der WRRL in die Köpfe der Menschen zu tragen und einen öffentlichen Diskurs zu fördern", meinen die Wissenschaftler.

Bis zur Verwirklichung der Ziele der WRRL, so sind sich Bathe und Klauer einig, ist es noch ein jahrzehntelanger, steiniger Weg. (gl)


Die wichtigsten Wasserbewirtschaftungsaufgaben in den zehn Flussgebieten in Deutschland:

1. Die Verbesserung der Gewässermorphologie (z.B. Beschaffenheit der Gewässersohle, Struktur der Uferzone, Wasserhaushalt) in den Oberflächengewässern und die Wiederherstellung der Durchgängigkeit vor allem für die Fischfauna.

2. Die Reduzierung des Eintrags von Nähr- und Schadstoffen aus diffusen und Punktquellen in die Oberflächengewässer und das Grundwasser.


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UFZ-Ansprechpartner:

Prof. Dr. Dietrich Borchardt,
Dr. Sandra Richter, Dr. Jeanette Völker
Dept. Aquatische Ökosystemanalyse
Telefon: 0391/810-9101
e-mail: dietrich.borchardt@ufz.de;
sandra.richter@ufz.de;
jeanette.voelker@ufz.de

Dr. Bernd Klauer, Frauke Bathe
Dept. Ökonomie
Telefon: 0341/235-1702
e-mail: bernd.klauer@ufz.de;
frauke.bathe@ufz.de


weitere Informationen:

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit [Hrsg.] (2010): Die Wasserrahmenrichtlinie - Ergebnisse der Bewirtschaftungsplanung 2009 in Deutschland. 80 S. Berlin.

Bathe, F. (2010): Die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie in Deutschland - eine vergleichende Analyse der Entwürfe der Bewirtschaftungspläne. UFZ-Bericht 01/2010. Leipzig.



Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

• Saale-Elbe-Mündung bei Barby im Bisosphärenreservat Mittlere Elbe

• Um den Gewässerzustand nach den Anforderungen der WRRL zu ermitteln, ist es auch notwendig, bis zum Bauch im Flusswasser zu stehen. So wurden und werden etliche Wasserproben genommen, Fische gefangen, gezählt und bestimmt, Wirbellose von Steinen, Sand, Holz und Pflanzen abgesammelt und ausgewertet.

• Der Hecht lebt in den meisten unserer Flüsse und Seen. er bevorzugt fließende und klare Gewässer.


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Quelle:
UFZ-Newsletter Juni 2010, Seite 9-10
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Tel.: 0341/235-1269, Fax: 0341/235-1468
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2010