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POLITIK/411: Berliner Senat beschließt Rückkauf der Berliner Wasserbetriebe (Der Rabe Ralf)


DER RABE RALF
Nr. 176 - Oktober/November 2013
Die Berliner Umweltzeitung

Narrenschiff nimmt Kurs auf

Senat beschließt vollständigen Rückkauf der Berliner

Von Janine Behrens



Am 17. September war es soweit: Um die Berliner Wasserbetriebe wieder vollständig in Landesbesitz zu überführen, stimmte der Berliner Senat dem Vertragsentwurf für den Rückkauf der Anteile der Veolia Wasser GmbH an der "RVB Beteiligungs GmbH", den Finanzsenator Nußbaum ausgearbeitet hat, zu. Eine Große Koalition aus CDU und SPD war es auch im Jahr 1999, die 49,9 Prozent der Berliner Wasserbetriebe für 1,7 Milliarden Euro über eine Holding AG zu jeweils gleichen Teilen an die Konzerne RWE und Veolia verkaufte. Die geheimen Vertragsabschlüsse der sogenannten "Öffentlich-Privaten Partnerschaft" stellten die größte Teilprivatisierung eines kommunalen Wasserbetriebes im europäischen Raum dar. Die Wasserbetriebe, die auf der Grundlage des damals geheimen Konsortialvertrages als nebulöses Unternehmensnetz neu entstanden, wurden als Essenz der öffentlichen Daseinsvorsorge einer demokratischen Kontrolle entzogen und oblagen der Geschäftsführung der Minderheitseigener und nicht der des Mehrheitseigners Berlin, der zusätzlich eine Gewinngarantie für die privaten Konzerne zu leisten hatte. Unter dem Druck des erfolgreichen Volksentscheids zur Offenlegung der Teilprivatisierungsverträge im Februar 2011 wurden die Dokumente veröffentlicht (siehe RABE RALF Dezember 2012/ Januar 2013).

Zur (un)möglichen Preissenkung

Der Kaufpreis für die Veolia-Anteile beläuft sich auf knapp 650 Millionen Euro. Finanziert werden soll der Betrag über die Investitionsbank Berlin - ausschließlich durch die Berlin zufließenden Gewinnanteile über 30 Jahre und das nicht zu Lasten des Landeshaushalts. Finanzsenator Nußbaum verklickerte seinen skeptischen CDU-Senatskolleg/-innen, dass demnach kein finanzielles Risiko für den Haushalt bestehe und nahm in das vorgeschlagene Gesetz zur Finanzierung einen Passus auf, der besagt, Preissenkungen würden von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens abhängen.

Laut Berliner Wasserbetrieben wurde in den vergangenen 13 Jahren 4.533 Verbraucher/-innen das Wasser abgestellt, weil sie ihre Rechnung nicht begleichen konnten. Pro Jahr gehen dadurch schätzungsweise 2,4 Millionen Euro verloren. Die Summen, die Berlin jährlich an RWE und Veolia für die Rückkäufe zahlen muss (circa 60 Millionen Euro für beide), müssen aus den Rückflüssen auch unter den Bedingungen einer Bundeskartellamtsverfügung zur Senkung der Tarife für Frischwasser um 17 Prozent bezahlt werden. Sowohl die Senkung als auch die unbezahlten Rechnungen der Verbraucher/-innen bedeuten somit weniger Gewinne für das Land Berlin, also einen auszugleichenden Einnahmeausfall. Das setzt demnach voraus, dass die Wassertarife laut Berliner Morgenpost nach einer einberechneten Absenkung insgesamt wieder über das derzeitige Niveau ansteigen müssen und im Jahr 2028 um knapp 14 Prozent höher liegen werden als heute. Liebe Christdemokraten, da stellt sich doch die Frage, wie ernst Sie es mit Ihren Wahlversprechungen nehmen. Für eine dauerhafte Preissenkung des Frischwassers, für die die CDU seit der Berlinwahl 2011 plädiert, sieht es perspektivisch schlecht aus.

Ein anderer interessanter Aspekt ist, dass der Senat, welcher das Finanzierungsmodell über Gewinntilgung hier befürwortet, es beim Volksentscheid über die Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung ablehnt.

Wassercharta vorgestellt

Bereits 2011, als die nunmehr gesplitteten drei Wassertische noch an einem Strang zogen, wurde eine Wassercharta erarbeitet. Die Debatte darüber wird nun fortgesetzt. Die Forderung nach einer direkten Bürgerbeteiligung und dem nötigen Demokratisierungsprozess des Gemeinwesens unterstreichend, hat die Bürgerinitiative Berliner Wassertisch(.net) auf einer Pressekonferenz am 5. September den Entwurf einer Berliner Wassercharta vorgestellt. Sie soll Basis und Wegweiser gesetzlicher Bestimmungen für die Berliner Wasserbetriebe sein und als Leitlinie für das Handeln erneuerter und ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichteter Wasserbetriebe dienen, darüber hinaus Grundsätze für das zu konstituierende Gremium eines Berliner Wasserrates etablieren. Das Vier-Seiten-Papier enthält neben allgemeinen und politischen Grundsätzen ökonomische, ökologische und rechtliche Richtlinien.

Fazit

In Anbetracht dessen, dass die Fraktion der Piratenpartei im Berliner Abgeordnetenhaus Organklage gegen die Teilprivatisierung von 1999 eingereicht hat und die Rückabwicklung der Verträge anstrebt sowie die gerichtliche Auseinandersetzung bezüglich der vom Bundeskartellamt verfügten Preissenkung bei Frischwasser noch aussteht, ist der Blitz-Beschluss des Berliner Senates als skandalös zu bewerten.

Wenn nun aber schon vorschnell Fakten geschaffen werden, dann kann das nur mit einer inhaltlichen Neuausrichtung der Berliner Wasserbetriebe einhergehen. Die Berliner Umweltverbände beklagen die Wasserpolitik der Hauptstadt seit langem. Sie stellen die langfristige Nutzung des Berliner Wassernutzungsmodells als Kreislauf bezüglich Wassermengen, Sulfatproblematik der Spree durch den Braunkohletagebau wie auch die Rückstandsproblematik von Östrogenen, Medikamenten et cetera in Frage. Die anthropogenen Spurenstoffe im Wasserkreislauf können als grundsätzliches Problem über den Tellerrand von Berlin hinaus identifiziert werden. Für Berlin als Insellösung kann das nur über eine vierte Reinigungsstufe gelöst werden, die zugleich dringend notwendig ist, um den geforderten guten ökologischen Zustand für alle Gewässer laut Europäischer Wasserrahmenrichtlinie zu erreichen. Zudem ist es sinnvoll, die Zweckbindung des Grundwasserentnahmegeltes für Maßnahmen des nachhaltigen Schutzes von Grundwasser und Oberflächengewässern sowie für den Ausgleich der Schäden an Natur und Landschaft durch die Trinkwassergewinnung politisch durchzusetzen und zu prüfen, ob nach Verursacherprinzip aus EU-Wasserrahmen- und Grundwasserrichtlinie die Zweckbindung rechtsverbindlich eingefordert werden kann. Einen weiteren wichtigen Punkt stellen dezentrale Lösungen in der autonomen Trinkversorgung, des Regenwassermanagements und bei der Abwasserentsorgung dar, die man zulassen und fördern muss.

Veolia geht über Bord - der Kapitän verlässt das sinkende Schiff zuletzt, so heißt es. Damit sich die Berliner Wasserbetriebe nach der Rückführung in Landesbesitz über Wasser halten können, sind nun eine inhaltliche Kursänderung und ein Demokratisierungsprozess der internen Struktur von Nöten.

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Quelle:
DER RABE RALF - 23. Jahrgang, Nr. 176 - Oktober/November 2013, Seite 3
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2013