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SCHADSTOFFE/076: Zwölf Forschungsverbünde sind den Mikros auf der Spur (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 989, vom 18. März 2012 - 31. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Zwölf Forschungsverbünde sind den Mikros auf der Spur



Die große Beachtung, die Spurenstoffe in der aquatischen Umwelt in den Medien und in der Öffentlichkeit gefunden haben, ist auch im Bundesforschungsministerium registriert worden. Zudem hat man ein ungutes Gefühl, weil man noch nicht genau weiß, ob sich neuartige Krankheitserreger auch über den Trinkwasserpfad verbreiten könnten. Die EHEC-Katastrophe vom Frühjahr 2011 steckt vielen noch in den Knochen. Damals war spekuliert worden, dass sich EHEC-Bakterien möglicherweise auch über schlecht gesicherte Kleinwasserwerke verbreiten könnten (s. RUNDBR. 980/3-4, 982/3-4). Wegen der vielen Fragezeichen im Hinblick auf Mikroverunreinigungen und Mikroorganismen hat Frau Prof. Annette Schawan (CDU) einen zweistelligen Millionenbetrag in die Hand genommen, um zwölf Forschungsverbünde bei der Suche nach Risiken aufgrund von Spurenstoffen und Krankheitserregern in der Trinkwasserversorgung zu finanzieren (siehe zur Projektausschreibung RUNDBR. 955/2-3). Die zwölf Forschergruppen sind in dem Dachprojekt "Risikomanagement von neuen Schadstoffen und Krankheitserregern im Wasserkreislauf" (RiSK-Wa) zusammengeschlossen. Das RiSKWa-Auftaktseminar hat am 7. und 8. Febr. 2012 in der DECHEMA in Frankfurt stattgefunden. In Frankfurt haben sich die zwölf Forschungsverbünde vorgestellt und über ihre jeweiligen Arbeitsprogramme berichtet.

Nähere Infos zu RiSKWa und seinen zwölf Forschungsverbünden können unter [1] nachgelesen werden. AbonnentInnen des BBU-WASSER-RUNDBRIEFS können zudem via nik[at]akwasser.de kostenlos einen umfangreichen Tagungsbericht des Frankfurter kick-off-meetings anfordern.


Risikokommunikation: Wie sage ich es dem Trinkwasserkonsumenten?

In fast allen der links genannten zwölf Forschungsverbünde soll auch der Frage nachgegangen werden, wie eine sachgerechte Risikokommunikation mit den Wasserwerkskunden gestaltet werden sollte, wenn plötzlich Mikroverunreinigungen oder Krankheitskeime in der Wasserversorgung auftauchen. Akuten Handlungsbedarf für eine adäquate Risikokommunikation scheint es derzeit besonders in Nordostdeutschland zu geben. Nachdem es im Winter 2011/2012 in den Wasserversorgungen in zahlreichen Landkreisen in Meck-Pomm und in Brandenburg zu einem "Bakterienalarm" gekommen ist (s. RUNDBR. 987/1-2), werden derzeit die Wasserwerkskunden in Tremsdorf in Brandenburg von einem muffigen Geschmack und Geruch des Trinkwassers beunruhigt - s. hierzu die nächste Notiz ...


Trinkwasser mit Lösemittel-, Gartenschlauch- und Schlickaroma

Seit dem 7. März 2012 schmeckt und riecht das Trinkwasser in Tremsdorf widerlich. Das kleine Straßendorf mit 190 EinwohnerInnen liegt südlich von Berlin und wird von der Mittelmärkischen Wasser- und Abwasser GmbH (MWA) mit Trinkwasser versorgt - siehe [2]. Die Bevölkerung wurde von der MWA zunächst mit Handzetteln über die Ungenießbarkeit des Leitungswassers informiert. Die Duftnoten des Trinkwassers in Tremsdorf klassifizierte die Märkische Allgemeine Zeitung (MAZ) mit "Lösungsmittelgeruch", "Gartenschlaucharoma" und "Schlickgeschmack". Über ihr subjektives Trinkwasserempfinden wurde in der MAZ eine Bewohnerin des Ortes wie folgt zitiert: "Es stinkt. Nach dem Waschen brennen meine Hände und mein Gesicht. So ein schlechtes Wasser hatten wir noch nie in Tremsdorf." Mit dem Kauf von Flaschenwasser mussten die Tremsdorfer ihren Wasserbedarf zum Trinken, Zähneputzen und Haarewaschen decken. Trotz tagelanger Recherchen und Untersuchungen war die Ursache für den modrigen Geschmack und Geruch des Trinkwassers nicht ausfindig zu machen. Am 12. März konnte der Wasserversorger in Abstimmung mit dem Gesundheitsamt die Warnung trotzdem wieder aufheben. Zuvor hätten erneute Laboranalysen ergeben, dass "das Wasser unbedenklich ist und den Vorgaben der Trinkwasserverordnung entspricht. Es weist auch keine geschmacklichen oder geruchlichen Beeinträchtigungen mehr auf", so Torsten Könnemann, Prokurist des zu 100‍ ‍Prozent kommunalen Wasser- und Abwasser-Verbandes gegenüber der Zeitung. Der Wasserversorger ließ in Tremsdorf erneut Handzettel verteilen, um über die Aufhebung der Trinkwarnung zu informieren und um Verständnis für die entstandenen Unannehmlichkeiten zu bitten. So plötzlich, wie das muffige Wasser aufgetaucht war, sei es auch wieder verschwunden. Die Aufhebung der Trinkwasserwarnung stieß bei den Tremsdorfer TrinkwasserkonsumentInnen allerdings auf Widerspruch. So schrieb ein Leserkommentator in der MAZ:
"Es verwundert mich doch sehr, dass das muffige Wasser plötzlich verschwunden sein soll. Derzeit ist es weder trinkbar noch riechbar. Egal, ob kalt oder warm. Wir haben es in unseren Häusern und fühlen uns mit unklaren Aussagen im Stich gelassen."

Tatsächlich musste auch der Wasserversorger am nächsten Tag eingestehen, dass die Geschmacks- und Geruchsbeeinträchtigung keineswegs verschwunden war. Am Abend des 16. März schickte die Mittelmärkische Wasser- und Abwasser GmbH (MWA) einen Wasserwagen nach Tremsdorf, um die Ortsbewohner mit brauchbaren Nass zu versorgen. "Außerdem wurden Trinkwasserbeutel verteilt. Pro Tremsdorfer gab es acht Beutel zu je einem Liter. Insgesamt 2000 solche Wasserbeutel - Haltbarkeit vier Jahre - standen bereit", berichtete die MAZ am 17. März. Allerdings hätten sich viele Tremsdorfer bereits mit Wasserflaschen aus dem Supermarkt versorgt. In einem Einkaufsmarkt, der auf dem Weg liegt, sei Mineralwasser bereits ausverkauft gewesen. Über die Gespräche am Wasserwagen berichtete die Zeitung: "Wie lange dauert es denn noch?", war die meistgestellte Frage gestern am Wasserwagen. Der Wasserbeutelverteiler, der von den Tremsdorfern freundlich empfangen wurde, sprach von einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Die Ursache, warum das Leitungswasser weiter muffig schmeckt und riecht, ist in der Tat immer noch nicht gefunden. "Wir tappen völlig im Dunkeln", sagte Waltraud Lenk von der MWA.

Laut MWA habe das Tremsdorfer Wasser "mit Ausnahme von Geruch und Geschmack zu jeder Zeit den Anforderungen der Trinkwasserverordnung" entsprochen. In die Suche nach dem Auslöser des Geschmacks- und Geruchsbeeinträchtigung seien neben dem Gesundheitsamt auch ein Umweltlabor und ein Forschungszentrum für Wasser einbezogen worden. Manchem Tremsdorfer ist unterdessen der Geduldsfaden gerissen. "Einige überlegen, die MWA anzuzeigen, wenn nicht demnächst etwas passiert", wurde ein Anrufer in der Märkischen Allgemeinen zitiert.

[Im Hinblick auf eine adäquate Risikokommunikation finden wir es bemerkenswert, dass auch am 18. März - also nach mehr als einer Woche nach dem Auftreten der Geschmacks- und Geruchsbeeinträchtigungen - auf der Homepage der Mittelmärkischen Wasser- und Abwasser GmbH kein Wort zu dem Malheur zu finden war. Das Fehlen erklärender Worte ist auch deshalb interessant, weil die MWA GmbH von der Deutschen Vereinigung des Gas- und Wasserfaches (DVGW) für ihr Sicherheitsmanagement zertifiziert worden ist.]


Kompensation für widerlichen Geschmack und Geruch

Wie die Märkische Allgemeine berichtete, wolle die MWA GmbH die Tremsdorfer für ihre Mehrausgaben für Ersatzwasser entschädigen. Die Bürger sollten die Kassenbons, etwa für Flaschenwasserkäufe, beim Wasserverband einreichen. MAZ-Mitarbeiter Ulrich Wangemann kommentierte das Entgegenkommen des Wasserversorgers am 16. März 2012: "Die Bürger von Tremsdorf sind in diesen Tagen sehr tapfer. Seit einer Woche trinken sie nur Flaschenwasser, putzen sich damit die Zähne, kochen darin ihr Essen und waschen sich mit dem Tafelwasser aus dem Supermarkt die Haare. Der MWA als verantwortlicher Wasserbetrieb ist gut beraten, die Tremsdorfer unbürokratisch zu entschädigen. Das heißt: Wer Rechnungen für Wasserkäufe einreicht, sollte umgehend Geld bekommen. Besser noch, ein Pauschalbetrag würde den Tremsdorfern überwiesen, denn wer hebt schon Supermarkt-Bons für Wasser auf? Nun ist Wasser ziemlich günstig. Teurer wird es, wenn viele Tremsdorfer ihre Wasserfilter erneuern lassen, weil sie den Chemiegeschmack loswerden wollen. Auch dann sollte sich die MWA kulant zeigen. Noch etwas schuldet die MWA ihren Kunden: Vollständige Aufklärung über die Ursache der Verschmutzung. Besteht die Gefahr, dass sich ein solcher Vorfall wiederholt? Lässt sich auch im Nachhinein noch feststellen, welche Rückstände im Wasser waren? Die Antworten erwarten alle mit Spannung."

Der Kommentar fand unter den MAZ-LeserInnen Zustimmung:
"Sehr geehrter Herr Wangemann, vielen Dank für Ihre offenen Worte. Die von Ihnen aufgeworfenen Möglichkeiten der Kulanz hatte ich bei der MWA bereits am Dienstag schriftlich (per Mail) erfragt. Leider habe ich bis heute noch keine Antwort erhalten. Traurig ist auch, dass wir so viel Druck machen mussten, um überhaupt gehört zu werden."

[1]‍ ‍http://www.riskwa.de/
[2]‍ ‍www.mwa-gmbh.de

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 989
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2012