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STANDPUNKT/055: David Klemperer - "Ungesund ist Glaube am ehesten dann ..." (MIZ)


MIZ - Materialien und Informationen zur Zeit
Politisches Magazin für Konfessionslose und AtheistInnen - Nr. 1/15

"Ungesund ist Glaube am ehesten dann, wenn Dinge für wahr gehalten werden, die es nicht sind"

Ein Interview mit David Klemperer zu Glauben und Gesundheit von Nicole Thies


Gesundheit und Krankheit sind unter anderem von der sozialen Situation abhängig: Wer arm ist, stirbt früher, heißt es. Wie Menschen mit Gesundheit umgehen, ist abhängig davon, wo sie leben, was sie verdienen, über wie viel Bildung sie verfügen, welches Geschlecht sie haben. Nicole Thies sprach mit Prof. Dr. David Klemperer über den Gesundheitsbegriff, was Menschen brauchen, wenn Sie sich krank fühlen, über ein gesundes Mediziner_innen-Patient_innen-Verhältnis und darüber, was am Glauben gesund oder was ungesund ist?


MIZ: In der Frage 'Macht Glaube gesund?' steckt die Vorstellung von Gesundheit. Wie lässt sich der Begriff Gesundheit definieren?

David Klemperer: Die Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit als körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden und stellt damit die subjektive Bewertung des eigenen Zustands in den Vordergrund. Für die Medizin hingegen ist Gesundheit die Abwesenheit von Krankheit, wobei unter Krankheit Störungen der Struktur und/oder der Funktionen des Organismus verstanden werden. Die Medizin hat den Auftrag, sich mit Krankheit und der Entstehung von Krankheiten zu befassen, also mit der Pathogenese. Eine gegensätzliche und gleichzeitig ergänzende Sicht ist die Entstehung der Gesundheit, die Salutogenese. Hierbei handelt es sich um ein Konzept zur Förderung und zum Erhalt der Gesundheit. Eine einheitliche und für alle Zwecke passende Definition von Gesundheit gibt es nicht und ist auch nicht erforderlich.

MIZ: Inwiefern ist der Begriff 'Gesundheit' von kollektiven Kategorien - wie sozialer Status, Geschlecht, kulturelle Herkunft und religiöser Weltanschauung - abhängig? Welche Zusammenhänge gibt es?

David Klemperer: Gesundheit ist in hohem Maße von den sozialen Determinanten beeinflusst. Darunter sind die Bedingungen zu verstehen, unter denen die Menschen Leben. Wie gesund wir leben, steht in Verbindung z.B. mit der Güte von Luft, Wasser und Boden, den Wohnbedingungen, dem Bildungssystem, den Bedingungen im Arbeitsleben, dem Angebot und den Preisen von Lebensmitteln, dem Steuersystem aber auch von sozialen und kulturellen Normen, welche die Gesundheit fördern oder beeinträchtigen können.

MIZ: Welche Zusammenhänge zwischen Glauben und Gesundheit können Sie benennen? Welche fördern oder welche beeinträchtigen Gesundheit?

David Klemperer: Glaube hat zwei Bedeutungen, zum einen das Fürwahrhalten einer Aussage oder Annahme (engl.: belief), zum anderen im religiösen Sinne das Bekenntnis zu einer höheren, göttlichen Macht (engl.: faith). Glaube im ersteren Sinne kann z.B. gesund sein, wenn die Annahmen zu einer realistischen Sicht von gesundheitsfördernden und gesundheitsabträglichen Faktoren zu entsprechendem Verhalten führt. Falscher Glaube, insbesondere im Sinne von Aberglaube kann sehr ungesund sein, wie z.B. falsche Annahmen zur Übertragung des AIDS-Virus oder die Leugnung des Klimawandels. Glaube im religiösen Sinne dürfte dann gut für die Gesundheit sein, wenn der Glaube mit der Zugehörigkeit zu einer zugewandten, emotional und funktional unterstützenden Gemeinschaft einhergeht. Wir sehen aber auch, dass religiöse Gemeinschaften sehr ungesund sein können, z.B. wenn im Rahmen von Abhängigkeitsverhältnissen seelische und auch körperliche Schäden einsetzen und die Täter dabei gedeckt werden.

Der Gesundheit dienlich bzw. abträglich ist somit eher die Qualität der sozialen Beziehungen, was im Übrigen für religiöse wie auch für nicht-religiöse Gemeinschaften gilt. Eine Meta-Analyse aus dem Jahr 2010, in die 148 prospektive Studien mit über 300.000 Teilnehmern eingeschlossen wurden, ergab, dass die Qualität sozialer Beziehungen - die Zugehörigkeit zu einem sozialen Netzwerk und das damit verbundene Ausmaß an funktionaler und emotionaler Unterstützung - starke Auswirkungen auf die Gesundheit zeigt.

MIZ: Mitunter wird Gesundheit als ein finaler und erstrebenswerter - paradiesischer - 'Endzustand' gesehen. Welche Rolle spielt dabei die sprachliche Nähe der deutschen Worte 'gesund/unversehrt' und deren Synonyme 'geheilt/wiederhergestellt'?

David Klemperer: Über Gesundheit sind dicke Bücher und lange Abhandlungen geschrieben worden, ohne dass dies zu einem von allen getragenen Verständnis geführt hätte. Gesundheit im medizinischen Sinne, also Abwesenheit von Krankheit, erscheint mir kein eigenständiges erstrebenswertes Ziel zu sein. Die ständige Sorge um die medizinische Gesundheit trägt eher nicht zum Wohlbefinden bei. Wichtiger ist doch die Frage, ob man ein Leben führt, wie man es führen will (im Sinn der Verwirklichungschancen von Amartya Sen). Der Zweck der Medizin ist meines Erachtens, dieses Anliegen zu unterstützen.

MIZ: Und über den Heilungsaspekt hinaus ist das Enhancement - die Verbesserung und Leistungssteigerung des menschlichen Körpers - ein vieldiskutierter und umstrittener Ansatz. Wie bewerten Sie die Schwierigkeiten und Problemlagen der Diskussion, in der nicht selten religiöse Moral- und Ethikvorstellungen eine Rolle spielen?

David Klemperer: Unter Enhancement wird der Einsatz biotechnischer Mittel und Methoden zur Verbesserung "normaler" Funktionen des Organismus verstanden, also der körperlichen und kognitiven Leistungsfähigkeit. Es geht insofern nicht um die Beeinflussung von Krankheitsprozessen. Das Ziel dieser "Verbesserungen" und die zur Verfügung stehenden Mittel, wie z.B. Medikamente zur Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit, erscheinen mir eher bedenklich. Von anderer Dimension und meines Erachtens hochbedenklich sind die zunehmenden molekularbiologischen Möglichkeiten, Gene in Samen- und Eizellen und in Embryos einzufügen, herauszunehmen oder zu editieren mit dem Ziel der "Verbesserung" der genetischen Ausstattung. Forscher haben im März 2015 ein Moratorium gefordert.

Eine andersgeartete Vision ist das "Enhancement" der Gesundheit derjenigen Gruppen in der Gesellschaft, deren Gesundheit am schlechtesten ist. Ich denke dabei z.B. an diejenigen, die in Armut leben.

MIZ: Was heißt das für Sie konkret? Worin können die Verbesserungen liegen für Menschen, die in Armut leben?

David Klemperer: Das Konzept der Verwirklichungschancen von Amartya Sen ist hier meines Erachtens sehr hilfreich. Die Verwirklichungschancen fördern bedeutet, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass alle Menschen in einer Gesellschaft das Leben führen, das sie führen möchten. Die Politik soll alles dafür tun, dass alle Menschen in der Gesellschaft vergleichbar gute Chancen haben, ihre Talente zu entwickeln, ihr Bildungspotential zu entfalten, ihre Gesundheit zu erhalten. Doch davon sind wir weit entfernt und entfernen uns immer mehr. So hemmt Armut die körperliche und kognitive Entwicklung von Kindern - zum Zeitpunkt der Einschulung sind sie bereits in vielen Belangen benachteiligt. Dies wäre durch geeignete früh einsetzende Interventionen weitgehend verhinderbar. Bildung ist der stärkste Einflussfaktor auf die Gesundheit. Der Bildungserfolg ist in Deutschland aber weitgehend abhängig von der Bildung der Eltern - auch dies könnte durch Fördermaßnahmen zumindest deutlich gemindert werden.

MIZ: Kulturgeschichtlich ist das Heilen oder die Heilung an Glauben und magische Riten gebunden, die von Einzelpersonen praktiziert wurden und über Generationen als Spezial- und Geheimwissen weitergegeben und gepflegt wurden. Aus heutiger Sicht: Was unterscheidet den Arzt vom Heiler?

David Klemperer: Ein Arzt sollte auf wissenschaftlicher Grundlage arbeiten, was ein damaliger Heiler nicht konnte, weil es die Grundlagen noch nicht gab. Die heutigen wissenschaftlichen Grundlagen der Medizin sind allerdings auf die Biologie fokussiert, wie oben bereits gesagt. Möglicherweise haben Heiler zu ihrer Zeit besser kommuniziert als viele Ärzte heutzutage. Möglicherweise war die Kommunikation sogar ihr einziges "Heilmittel", denn medizinisch dürften sie kaum etwas richtig gemacht haben. Ärzte könnten und sollten heutzutage besser, klarer und verständlicher informieren. Die Befriedigung der kognitiven Patientenbedürfnisse mit zutreffenden und verständlichen Informationen ist eine notwendige Voraussetzung für die Orientierung der Patienten und für gute Behandlungsentscheidungen. Patienten haben aber auch - je nach Situation - mehr oder weniger starke emotionale Bedürfnisse. Die meisten Ärzte dürften - so wie ich auch - nicht darin ausgebildet sein, diese Bedürfnisse zu erkennen und auf sie einzugehen. Auch hier können und sollten wir Ärzte besser werden.

MIZ: Auch Homöopath_innen oder sog. Alternativmediziner_innen, die mitunter gar keine Mediziner_innen sind, bieten nur eine Dienstleistung an. Machen diese sich nur das Bedürfnis nach Verständnis und Zuwendung zu nutze?

David Klemperer: Der Erfolg von Anbietern gesundheitlicher Leistungen, die keinen stärkeren Effekt als Placebo haben, beruht auf der Befriedigung kognitiver und emotionaler Bedürfnisse. Die meisten Methoden aus der Komplementär- und Alternativmedizin (CAM) sind hier einzuordnen, aber auch nicht wenige Behandlungsweisen der Schulmedizin - ich denke dabei z.B. an die operative Glättung des Knorpels bei Kniegelenksarthrose. Bei Schmerz kann Placebo eben sehr wirksam sein. Anbieter von CAM befriedigen die Bedürfnisse der Patienten nach Information, Erklärung, Empathie und emotionaler Unterstützung häufig besser als die zumeist eher kurz angebundenen Schulmediziner. Für einen Patienten mit unbestimmten, biomedizinisch nicht recht fassbaren Beschwerden, ist es zumeist schon hilfreich, wenn sich jemand mit seinen Gedanken, Gefühlen und seinen Vorstellungen von den Ursachen der Beschwerden befasst. Ein Krankheitsetikett, also eine Diagnose, wirkt dann häufig zusätzlich erleichternd, weil der Patienten das Gefühl bekommt, verstanden zu werden und Hilfe zu erhalten. Dies alleine kann psychosomatische Beschwerden schon erheblich lindern. Und das nutzen auch Anbieter komplementärer und alternativer Methoden, vermutlich zumeist ohne sich dessen bewusst zu sein.

MIZ: Und welche Rolle spielt eine gewisse Skepsis gegenüber der 'Ärztezunft'? Denn Mediziner_innen interagieren nicht allein im Mediziner_innen-Patient_innen-Verhältnis sondern in einem komplexen Geflecht wie dem Gesundheitssystem und der Pharmaindustrie mit ganz eigenen Interessen und Akteuren. Welche Schwierigkeiten ergeben sich daraus?

David Klemperer: Die Öffentlichkeit betrachtet die Ärzteschaft tatsächlich mit Skepsis und ist sich - einer eigenen Studie zufolge - offenbar darüber bewusst, dass Ärzte finanzielle Eigeninteressen haben und diese, wenn sie im Konflikt mit den Patienteninteressen stehen, nicht regelhaft den Patienteninteressen nachordnen.

Ein weiteres Problem ist die immer noch viel zu große Nähe von Ärzteschaft und Industrie, z.B. im Bereich der Fortbildung. Dies führt dazu, dass die Fortbildungsthemen nicht den Fortbildungsnotwendigkeiten der Ärzte entsprechen. Fortbildungsbedarf besteht z.B. im Bereich der Arzt-Patient-Kommunikation, der Krebsfrüherkennung und des Zahlenverständnisses. Hier fehlt es an Angeboten. Von der Industrie finanzierte Veranstaltungen über Arzneimittel dominieren das Fortbildungsangebot.

MIZ: Da schwingt Skepsis mit. Dennoch: Wie kann Ihres Erachtens das Mediziner_innen-Patient_innen-Verhältnis gestärkt werden? Welche Möglichkeiten sehen Sie, wie Mediziner_innen aufklären und informieren können und dabei die Entscheidungsfindung des Patienten einbinden?

David Klemperer: Ein zeitgemäßes Konzept der Arzt-Patient-Kommunikation ist das Shared-Decision-Making (SDM), auch als partizipative Entscheidungsfindung bezeichnet. SDM sollte immer dann eingesetzt werden, wenn es sich um ein medizinisches Problem handelt, für das es mehr als eine Lösungsmöglichkeit gibt. Im ersten Schritt vermittelt der Arzt dem Patienten unmissverständlich, dass eine Entscheidung und eine Auswahl zwischen unterschiedlichen Verfahren zu treffen ist.

Dann legt der Arzt dem Patienten im zweiten Schritt die unterschiedlichen Möglichkeiten dar, und zwar aufgrund der Evidenz, also des aktuellen wissenschaftlichen Wissens. Dabei sind die für den Patienten relevanten Ergebnisse der Behandlung darzustellen, also die Auswirkungen auf die Lebensdauer und die Lebensqualität. Das Eintreten von Effekten ist in der Medizin selten zu 100% sicher, daher gilt es, Wahrscheinlichkeiten zu nennen, mit der erwünschte und unerwünschte Effekte zu erwarten sind. Im dritten Schritt geht es darum, die Präferenz des Patienten zu klären, also zu erörtern, welche der Möglichkeiten für ihn die richtige ist.

SDM an einem Beispiel: Bei einem Patienten tritt in der Folge der Verengung eines Herzkranzgefäß regelmäßig nach drei Treppen ein Engegefühl im Brustkorb auf, Angina pectoris in der Fachsprache. Bestehen die Beschwerden trotz Einnahme der Herzmedikamente, besteht die Möglichkeit, eine Gefäßprothese (Stent) einzusetzen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der Patient anschließend beschwerdefrei oder zumindest beschwerdearm sein. Auf das Sterberisiko oder auf das Risiko eines künftigen Herzinfarktes hat die Gefäßprothese keine Auswirkung. Ausschlaggebend für die Entscheidung für oder gegen den Eingriff sollte also einzig die subjektive Sicht des Patienten sein: sind die Beschwerden für ihn in seiner Lebenssituation so lästig, dass er den Eingriff wünscht oder kann er sich mit den Beschwerden so einrichten, dass er zufrieden ist.

Niemand, auch nicht der Arzt, kann ihm die dazugehörigen Überlegungen und Abwägungen abnehmen. Der Arzt hat die Aufgabe, die Präferenzklärung vorzubereiten und den Patienten darin zu unterstützen. Das ist ein Ideal, von dem wir im medizinischen Alltag noch ein gutes Stück entfernt sind. Bislang ist SDM nicht Teil der medizinischen Kultur. Ich glaube aber, dass dieses Konzept so stark und richtig ist, dass mittelfristig kein Weg daran vorbei führt.

MIZ: Und worin würde Sie da die Ursache sehen; dass dieses Konzept so wenig angewandt wird?

David Klemperer: Die Annahme "doctor knows best" herrscht sowohl bei Ärzten wie auch bei Patienten noch vor. SDM erfordert auf Seiten des Arztes die Bereitschaft, sich mit patientenrelevanten Informationen zu versorgen und diese mit dem Patienten zu teilen. Damit gibt der Arzt auch Entscheidungsmacht ab. Ärzte und auch Patienten müssen lernen, dass dies vernünftig und funktional ist. Untersuchungen zeigen, dass dadurch die Arzt-Patient-Beziehung verbessert und die Berufszufriedenheit der Ärzte erhöht wird. An verbalen Bekenntnissen der Ärzteschaft zum SDM mangelt es nicht. Noch fehlen jedoch Anreize zur Umsetzung. Das Patientenrechtegesetz von 2013 sowie das Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz von 2013 fordern jedoch in eigentlich unmissverständlicher Weise eine Kommunikation entsprechend dem SDM-Konzept. Hier besteht ein Umsetzungsdefizit, das so sicher nicht bestehen bleiben wird.

MIZ: Also sachliche Präferenzentscheidung der Patient_innen ergänzt um empathische und sachkundige 'medizinische Beratung. Kann das auch die sog. Alternativmedizin leisten?

David Klemperer: Der Begriff Alternativmedizin als Gegensatz zur Schulmedizin ist meines Erachtens überkommen, denn Naturheilkunde wird seit 2003 im klinischen Abschnitt des Medizinstudiums als Pflicht- und Prüfungsfach gelehrt. Sinnvoll unterscheiden lässt sich ausschließlich danach, ob eine Heilweise patientenrelevante Ergebnisse mit höherer Wahrscheinlichkeit erwarten lässt als Placebo oder nicht. Ein Etikett wie Schul- oder Alternativmedizin ist dann weder hilfreich noch erforderlich, ebenso wie ideologische Grabenkämpfe. Gute Medizin bedeutet also: Methoden mit gesichertem Patientennutzen und eine Kommunikation, welche die Bedürfnisse der Patienten erfüllt.

MIZ: Wie beurteilen Sie, Herr Klemperer, die Frage "Ist Glaube gesund?" Wie nützlich ist Glaube? Wie nützlich ist der Glaube an Gesundheit? Wie nützlich ist der Glaube an Heilung? Und wie ungesund kann der Glaube sein?

David Klemperer: Glaube - im Sinne von eigene Wahrnehmungen, Überzeugungen und Schlussfolgerungen für zutreffend zu halten - kann je nach den Umständen gesund oder auch ungesund sein. Ungesund ist Glaube am ehesten dann, wenn Dinge für wahr gehalten werden, die es nicht sind. Ungesund ist z.B. der Glaube, dass es AIDS gar nicht gibt, weil dann erforderliche Schutzmaßnahmen oder Therapien nicht durchgeführt werden. Ungesund für die gesamte Menschheit ist der Glaube, dass es den Klimawandel nicht gibt.

Gesund sein kann hingegen Glaube im Sinne von Zuversicht. Darauf beruht im Wesentlichen der Placebo-Effekt, der in einigen Bereichen gut funktioniert. So kann z.B. die feste Erwartung einer Schmerzlinderung, welche durch die Gabe einer wirkstofffreien Tablette oder Spritze hervorgerufen wird, tatsächlich eine Schmerzlinderung bewirken und zwar durch Freisetzung von körpereigenen, dem Morphium ähnlichen Substanzen. Diese Glaubenseffekte darf man aber nicht überschätzen - eine Heilung von Krebs, Diabetes oder Herzkrankheiten durch Glaube funktioniert leider nicht. Falsch und damit ungesund ist sicherlich auch der Glaube, dass die Masernimpfung mehr Schaden als Nutzen bewirkt. Todesfälle als Folge einer Masernerkrankung gibt es, Todesfälle infolge eine Impfung mit dem üblichen Masernimpfstoff meines Wissens nicht.


Prof. Dr. David Klemperer ist Internist, Gesundheitswissenschaftler, Hochschullehrer und Autor des Lehrbuchs: Sozialmedizin - Public Health - Gesundheitswissenschaften. Lehrbuch für Gesundheits- und Sozialberufe, zweite, vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage, 2014, ISBN 978-3-456-85244-7.

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Quelle:
MIZ - Materialien und Informationen zur Zeit
Nr. 1/15, S. 8-14, 44. Jahrgang
Herausgeber: Internationaler Bund der Konfessionslosen
und Atheisten (IBKA e.V.), Tilsiter Str. 3, 51491 Overath
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2015

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