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BERICHT/181: Gegen Armut und soziale Ausgrenzung (diesseits)


diesseits 2. Quartal, Nr. 79/2007 -
Zeitschrift des Humanistischen Verbandes

Gegen Armut und soziale Ausgrenzung

Von Patricia Block


Unter dem Motto "Wir bekennen Farbe" hatte der Humanistische Verband, Landesverband Berlin, vom 19. bis 25. März 2007 zu verschiedenen Kultur- und Bildungsveranstaltungen eingeladen sowie Informationsangebote für von Armut betroffene Menschen bereitgestellt. Nach diesen Aktionstagen ist für die Veranstalter klar: Armut ist ein Thema, dem sich der organisierte Humanismus langfristig widmen wird.


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Eine ganze Woche lang war der HVD mit Informationsständen an verschiedenen zentralen Plätzen Berlins präsent. Hier konnten sich die Menschen beraten lassen und informieren. Eine Hotline, besetzt mit Sozialarbeiterinnen des Verbandes, beantwortete Fragen zur Sozialhilfe, Grundsicherung, Arbeitslosengeld II oder gesetzlicher Krankenversicherung. Anschauliche Warenkörbe zeigten den Vorbeieilenden, was man sich leisten kann, wenn man Hartz IV bezieht. Da geriet so mancher ins Grübeln. Nein, man sieht es nicht so ohne weiteres, das Problem liegt tiefer. Laut Regelsatzverordnung für Hartz IV-Empfänger bekommt ein Ein-Personen Haushalt 132,71 Euro für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren im Monat. Davon wird man satt. Ob das Essen dann auch schmeckt, ob es gesund und vitaminreich ist, sei dahingestellt. Wenn es auch für den Bauch reicht, für den Kopf reicht es nicht. Für Zeitschriften und Zeitungen kann man im Monat 10,24 Euro ausgeben. Nicht mal ein Abo der örtlichen Regionalzeitung ist damit drin. Für Bücher dürfen es 5,98 Euro sein. Das reicht nicht mal für ein Taschenbuch. Für den Besuch von Sport- und Freizeitveranstaltungen stehen 4,63 Euro zur Verfügung. Wo kommt man damit hin? Zum Beispiel zum Bundesligaspiel Hertha BSC gegen Arminia Bielefeld. Der Berliner Fußballverein hatte sich der Aktion angeschlossen und stellte dem HVD Karten zur Verfügung, die an den Informationsständen für genau diese Summe verkauft wurden.

Matheshow im Friedrichstadtpalast

Gerade Kinder und Jugendliche sind von Armut betroffen. Daher organisierte der HVD für junge Menschen kostenlose Aktivitäten und Angebote. Etwa 1.800 Kinder folgten am letzten Märzsonntag der Einladung zu Berlins witzigster Mathe-Show "1x1 mit Rumpelstil" in den Friedrichstadtpalast. Die Karten, die gleichzeitig als BVG-Ticket galten, hatte der Verband Kindern zur Verfügung gestellt, deren Eltern sich die Eintrittskarte zu einer solchen Kulturveranstaltung nicht hätten leisten können. Und so kamen nicht nur Eltern und Großeltern erwartungsvoll in das repräsentative Haus in der Friedrichstraße, auch Betreuer aus den verschiedensten sozialen Projekten der Stadt freuten sich mit ihren Schützlingen über die gelungene Großveranstaltung. Kaum vorstellbar, welchen Spaß Malfolgen machen können, wenn sie in hitverdächtige Melodien verpackt sind. Kleiner Nebeneffekt - Bildung und ja, sogar auch Mathe - macht Spaß.

Viel Lob hören auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des HVD am Informationsstand: "Danke, dass Sie uns das ermöglichen". Soviel positive Reaktion ermutigt den HVD, solche Angebote auch in Zukunft zu machen - es gibt jetzt schon Wartelisten fürs Nächstemal.

Wochenendcamp in Brandenburg

Auch das Wochenendcamp im Land Brandenburg, das der Jugendverband Junge HumanistInnen organisiert hatte, war ein voller Erfolg. In Milow gab es für 40 Kinder von 8 bis 12 Jahren von Freitag bis Sonntag jede Menge Erlebnisse, Spiel, Spaß und Spannung. Die Erkundung der vielfältigen Landschaft am Rande der Havel war nur ein Programmpunkt von zahlreichen anderen. Neben dem beliebten Fußballspiel gab es zahlreiche Betätigungsfelder wie Kistenklettern, Chaosspiel, eine Fackelwanderung, Basteln von Gipsmasken, Tanz- und Theaterspiele sowie ein Kinderfilm und vieles mehr. Quartier bezogen wurde in der ehemaligen "Bolle-Villa". 1882 von Carl Bolle, dem "Milchkönig" von Berlin als Sommersitz erbaut, betrieb er das Haus ab 1891 als Erholungsheim für die Kinder seiner Angestellten. 1945 wurde die Villa als Lazarett und Waisenhaus genutzt. Seit 1950 ist sie eine schöne Jugendherberge. Das ehrenamtliche Engagement der sechs Betreuer aus den Reihen der Jungen HumanistInnen sowie die finanzielle Unterstützung z.B. durch das Deutsche Jugendherbergswerk Berlin-Brandenburg ermöglichten Kindern aus einkommensschwachen Haushalten die kostenlose Teilnahme an diesem Wochenendcamp. Kinder und Betreuer waren sich einig: ein wunderschönes Frühlingswochenende, randvoll mit spannenden Aktionen, vielfältigen Anregungen, neuen Erfahrungen und Bekanntschaften, das so schnell wie möglich wiederholt werden müsste.

Thema im Lebenskundeunterricht

Für den Lebenskundeunterricht wurde eine spezielle Unterrichtseinheit zum Thema "Was ist, wenn man arm ist?" konzipiert. Etwa 200 Schülerinnen und Schüler beteiligten sich am gleichnamigen Plakatwettbewerb. Die 42 eingereichten Entwürfe waren bis Ende April in einer Ausstellung im Stadtteilzentrum am Teutoburger Platz zu besichtigen. "Fit für Kinderrechte in Entwicklungsländern und bei uns" hieß das Projekt, das der HVD mit Unterstützung der Internationalen Weiterbildung und Entwicklung gGmbH an Grundschulen in Berlin durchführte. Im Nachbarschaftshaus Urbanstraße präsentierten die Kinder ihre im Rahmen des Projekts erarbeiteten Aktivitäten.

Bei den gelungenen Aktionen soll es nicht bleiben. Armut ist ein Thema, dem sich der organisierte Humanismus langfristig widmen muss und wird.


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Das können Sie tun

Der HVD Berlin unterstützt die Kampagne "Deine Stimme gegen Armut". Auf der gleichnamigen Website hat man die Möglichkeit, seine Unterschrift unter einen an die Bundeskanzlerin gerichteten Brief zu setzen. Mit dieser Aktion, die weltweit viele Prominente unterstützen, wird die Bundesregierung daran erinnert, dass sich Deutschland mit der Unterzeichnung der Millenniums-Erklärung im Jahr 2000 - wie alle anderen Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen - verpflichtet hat, alles zu tun, um bis zum Jahr 2015 weltweit die extreme Armut zu halbieren. In diesem Jahr bieten sich zwei gute Gelegenheiten: beim G8-Gipfel in Heiligendamm (6. bis 8. Juni 2007) und während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der ersten Jahreshälfte 2007 könnte Deutschland das Thema Armutsbekämpfung und Entwicklungspolitik ganz nach oben auf die Tagesordnung setzen.


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Quelle:
diesseits 2. Quartal, Nr. 79/2007, S. 16-17
Herausgeber: Humanistischer Verband Deutschlands
Wallstraße 61-65, 10179 Berlin
Telefon: 030/613 904-41
E-Mail: diesseits@humanismus.de
Internet: http://www.humanismus.de

"diesseits" erscheint vierteljährlich am
1. März, 1. Juni, 1. Oktober und 1. Dezember.
Jahresabonnement: 12,- Euro (inklusive Porto und
Mehrwertsteuer), Einzelexemplar 4,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2007