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VEGETARIERBUND/339: Bella Vegitalia (natürlich vegetarisch)


natürlich vegetarisch 04/08 - Herbst 2008
Das VEBU Magazin

Bella Vegitalia

Wie steht's in Italien, dem Land des Schutzpatrons der Tiere, mit dem vegetarischen oder veganen Gedankengut und Angebot? Ilona Witten eröffnet hier eine neue Artikelserie von 'Natürlich Vegetarisch' und wirft einen Blick auf eines unserer beliebtesten Urlaubsländer.


Vegetarier und Tierbefreier: Leonardo da Vinci, das Universalgenie des 16. Jahrhunderts, ist vielleicht der bekannteste und am häufigsten zitierte Vegetarier Italiens. Auch wenn er sich in keiner seiner Schriften direkt als Vegetarier zu erkennen gibt, so beschrieben diverse Menschen aus seiner Nähe seine Wahl. Wie der Begründer und Direktor des Leonardo in Vinci gewidmeten Museums schreibt, stammt das sooft verwendete Zitat "Der Tag wird kommen, an dem man das Töten eines Tieres in der gleichen Weise betrachten wird wie das Töten eines Menschen", aus einem Roman von Dimitri Merejkowski und ist kein Originalzitat von Leonardo. Dennoch ist davon auszugehen, dass Leonardo da Vinci tatsächlich Vegetarier war. So schreibt er in seinen Quaderni d'Anatomia II: "König der Tiere - so definiert der Mensch sich selbst - ich würde gar sagen, König der Bestien, von denen du selbst die Größte bist - da du sie aufziehst, bis sie dir ihre Kinder geben, um deinen Bauch zu füllen, den du zu einer Grabstätte für alle Tiere gemacht hast (entnommen aus "II vegetarianesimo etico di Leonardo" von David Hurwitz in Leonardo era vegetariano?" Edizione Sonda, übersetzt von der Autorin des Artikels). Es wird auch über ihn berichtet, dass er auf den Märkten Florenz Vögel aus den Käfigen befreite und die Händler entschädigte (ebd.).

Doch wie steht es heute um den vegetarischen Gedanken in Italien? Laut Eurispes-Statistik 2006 ernähren sich 95 % der Bevölkerung also über 5 Millionen der Bürger Italiens vegetarisch - mit steigender Tendenz. Darunter befinden sich 70 % Frauen, die meisten davon im Alter zwischen 25 und 54 Jahren. Die Zahl der Veganer wird hingegen auf 600.000 geschätzt, das entspricht in etwa dem Zahlenverhältnis Vegetarier/Veganer in Deutschland. Als Motive für die vegetarische Ernährung werden laut Marinella Correggia vorwiegend ökologische, gesundheitliche Aspekte, Ekel vor Fleisch sowie das Welthungerproblem genannt, während viele ihre Tierrechtsmotivation gar nicht erst artikulieren - da sie laut der Journalistin wenig Konsens in der Bevölkerung finde (il manifesto, 16.5.2008). Das war auf der ersten Veggie-Pride im Mai 2008 einmal ganz anders. Mehrere hundert Demonstranten brachten in Rom ihren Unmut über die Tierausbeutung zum Ausdruck (siehe auch www.veggiepride.it). In Italien sind diverse Vereine und Gruppen aktiv, die sich der Verbreitung der vegetarischen und veganen Ernährung widmen. Allen voran muss natürlich die Schwesterorganisation vom VEBU genannt werden, die Associazione Vegetariana Italiana (siehe www.vegetariani.it), die 2005 den EVU-Kongress in Riccione ausrichtete. Der Verein wurde 1952 unter anderem von Aldo Capitini, einem bekannten Antifaschisten und Pazifisten, gegründet. Eine wichtige Rolle hat die Wissenschaftliche Gesellschaft der vegetarischen Ernährung, deren Mitglieder - allesamt Ärzte - sich der wissenschaftlich fundierten Verbreitung des Vegetarismus widmen (www.scienzavegetariania.it). Zum Thema vegan empfehlen sich neben anderen die informativen Internetseiten www.vegan3000.it und www.progettogaia.it.

Umberto Veronesi, der über die Landesgrenzen hinweg angesehene Mediziner, Wissenschaftler, Politiker und ehemalige Gesundheitsminister Italiens, meint: "Vegetarismus ist unvermeidlich". Und dies nicht nur aufgrund der gesundheitlichen Vorteile der vegetarischen Ernährung, der notwendigen Achtung des Lebens der Tiere, sondern auch wegen der ökologisch-sozialen Dimension der fleischlastigen Ernährung, so der Vegetarier in der italienische Tageszeitung Repubblica (6.06.2008). Und weiter: "Die weltweit produzierten Agrarprodukte wären in der Tat ausreichend, um die 6 Milliarden Einwohner zu ernähren, wenn sie gerecht verteilt würden, und vor allem, wenn sie nicht verwendet würden, um 3 Milliarden Tiere zu füttern... Sechsunddreißig von vierzig der ärmsten Länder der Welt exportieren Getreide in die Vereinigten Staaten, wo 90 % des Importprodukts verwendet werden, um die für die Schlachtung bestimmten Tiere zu füttern." Das Hungerproblem und die Wasserknappheit werden das zentrale Thema der von ihm mitorganisierten 4. Internationalen Konferenz über die Zukunft der Wissenschaften "Food and Water for life" sein, die vom 24. bis 27. September 2008 in Venedig unter Beteiligung der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi, der Medizinnobelpreisträgerin Rita Levi Montalcini und der Präsidentin Liberias, Ellen Johnson Sireleaf, stattfindet.

Als Vegetarier/Veganer unterwegs in Italien: Zwar weist die italienische Küche eine Vielzahl von vegetarischen Gerichten auf, dennoch stößt derjenige, der sich im Restaurant als Vegetarier oder gar als Veganer zu erkennen gibt, nicht selten auf Ratlosigkeit. Dabei lässt sich mit etwas Fantasie ein leckeres Menü aus den angebotenen Speisen zusammenstellen: ein vegetarischer Vorspeisenteller ("anti pasto vegetariano", wobei "con" (mit) oder "senza" (ohne) Käse "formaggi" spezifiziert werden sollte), ein Nudelgericht und unter den "contorni" (Beilagen) finden sich oft Köstlichkeiten wie gedünstetes Gemüse "verdure lesse", Gemüsekuchen "torta di verdure" und natürlich Salate, die für deutsche Verhältnisse meist etwas dürftig ausfallen. Rein vegetarische Restaurants gibt es nur ganz wenige und sie befinden sich überwiegend in den großen Städten des Nordens. Überall gibt es natürlich die Pizzerien mit ihrem breiten Angebot (Tipp für Veganer/innen: die vegane Pizza Marinara oder Napoli, je nach Pizzeria/Region unterschiedlich benannt, ist eine Pizza mit Tomaten, Origano und Knoblauch "pomodori, origano, aglio"). Hilfreich sind die Restaurantverzeichnisse auf den Internetseiten www.viverevegan.org/guida/ristoranti. htm, www.italyguide.com/RISTORAN/rist_veget.htm sowie auch www.vegetariani.it/vegetariani/indices/15.html.


© Ilona Witten, 2008


San Francesco d'Assisi (1181-1226), Begründer des Franziskanerordens, Schutzpatron Italiens und der Umwelt. "Wenn es Menschen gibt, die einer beliebigen Kreatur Gottes Erbarmen und Liebe versagen, so wird es auch Menschen geben, die Ihresgleichen auf die gleiche Weise behandeln."

Einige berühmte Vegetarier/innen Italiens: Adriano Celentano, Tiziano Terzani, Franco Battiato, Gianni Morandi, Romina Power, Lea Massari, Ornella Muti, Marco Lodoli, Giorgio Celli, Tommaso Campanella

Margherita Hack (Astrophysikerin): "Ich glaube, irgendeine lebendige Kreatur zu töten ist ein wenig so, wie uns selbst zu töten..."


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Ornella Muti ist über 50, kaum zu glauben. Ihre jugendliche Schönheit schreibt die Schauspielerin und "schönste Großmutter Italiens" ihrem gesunden Leben zu. Besonders wichtig ist ihr neben Thai-Boxen das tägliche Meditieren und ihre vegetarische Ernährung.


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Quelle:
natürlich vegetarisch 04/08 - Herbst 2008, S. 16-17
59. Jahrgang
Vegetarierbund Deutschland e.V. (VEBU)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2008